Almen in Tirol: Zwischen Tradition und Zukunft
Shownotes
Was ist eigentlich eine Alm? Die Tiroler Almen sind mehr als nur idyllische Weiden – sie sind Lebensraum, gelebte Tradition und ein wichtiger Teil nachhaltiger Bewirtschaftung. Warum sind sie heute noch wichtig? Welche Rolle spielen sie für Natur, Landwirtschaft und Genuss? Lisa und Klaus erleben den Almauftrieb im Kaunertal, wo hunderte Kühe auf die Sommerweiden ziehen. Spezialist für Almwirtschaft Peter Fuchs erklärt, warum die Tiere nicht nur grasen, sondern aktiv zur Landschaftspflege beitragen und hochwertige Almprodukte wie frische Milch, cremigen Käse und zartes Fleisch liefern. Marina Hausberger vom Naturpark Karwendel verrät, wie Freiwillige anpacken, damit Tirols Almen nicht von der Bildfläche verschwinden. Jetzt reinhören in Hörausflüge – Der Tiroler Reisepodcast mit Lisa & Klaus!
Links:
- Tipps zum richtigen Verhalten auf der Alm und zum Umgang mit Weidetieren.
- Wenn Sie selbst die Schönheit und Ruhe der Almen erleben möchten, finden Sie wertvolle Tipps für den nächsten Ausflug auf www.tirol.at/almurlaub .
- Hinauf zu den Sennern: Almwanderungen in Tirol
- Tirol Lexikon: Was genau ist eine Alm?
- Selbst aktiven Beitrag zum Naturschutz leisten mit dem Team Karwendel oder anderen Freiwilligenprojekten
- Mit Peter Fuchs auf die Alm
- Tirols älteste erhaltene Almen
- Lebensmittel von der Alm auf eure Teller. Auch darum kümmert sich die Agrarmarketing Tirol.
Tirol #Reisepodcast #Almen #Natur #Almauftrieb #Nachhaltigkeit #Hörausflüge
Transkript anzeigen
Lisa Prantl: Hörausflüge der Tiroler Reisepodcast
Klaus Brunner: Hörausflug auf die Alm mit Lisa Prantl…
Lisa Prantl: … und Klaus Brunner. Lieber Klaus, was ist denn deine erste Assoziation, wenn es um Almen geht?
Klaus Brunner: Also ich habe schon Kindheitserinnerungen dran, weil meine Großeltern, die hatten eine Alm beim Achensee und das war halt für mich als Kind wie so ein großer Abenteuerspielplatz. Also es war total interessant, natürlich viele Kühe waren da oben. Ich weiß auch noch genau, wie es da gerochen hat, also im positiven Sinne, wobei es gab auch ein Plumpsklo. Und da erinnere ich mich an das frische Quellwasser zum Beispiel aus dem Brunnen, also es war einfach toll.
Lisa Prantl: Klingt unglaublich idyllisch und das ist eine Frage, die wir in dieser Episode beantworten wollen. Nämlich ist das Arbeiten auf der Alm wirklich so idyllisch und es ist ja ein bisschen ein Trend, dass man ein bisschen aussteigt aus der Gesellschaft für ein paar Monate harte Arbeit und viel frische Luft. Wie ist es eigentlich wirklich auf der Alm zu arbeiten?
Klaus Brunner: Ja, ich habe es nie ausprobiert, aber ich weiß, dass viele von denen, die dort arbeiten, das sind so boschtige Manda. Da wären wir bei unserem Dialekt-Quiz.
Lisa Prantl: Was sind boschtige Manda? Wir werden es herausfinden. Vorher Klaus, warst du für uns bei einem Almauftrieb dabei.
Klaus Brunner: Genau, weil Almabtriebe kennt man ja. Was man viel seltener sieht, ist so ein traditioneller Almauftrieb.
Ich war da im Kaunertal und das war wirklich spektakulär. Da gibt es viele Bauern und Bäuerinnen, die haben nur ein paar Stück Vieh und die werden dann so Stück für Stück quasi, die kommen zusammen und werden dann zusammengetrieben und dann geht es zu Fuß kilometerweit auf die Bergalm hinauf und das ist ein richtiges Spektakel.
Hirte 1: Es ist schön, wenn man wieder da ist. Jetzt fängt der Sommer an und man sieht es gerne.
Hirte 2: Es ist ein schönes Gefühl, wenn man wieder auf die Alm hinauffährt. Man freut sich schon das ganze Jahr darauf, dass es wieder losgeht. Und natürlich, dass Mensch und Tier wieder gesund im Herbst ins Tal kommen.
Lisa Prantl: Ja, das sagen die Hirten aus dem Kaunertal. Waren da auch boschtige dabei, Klaus?
Klaus Brunner: Ja, im Kaunertal sagt man das wahrscheinlich anders, aber da waren viele boschtige Manda. Boschtig heißt einfach bärtig und dazu gibt es auch eine Anekdote. Früher war es so, dass die Senner, die quasi den Käse oben auf der Alm hergestellt haben. Die haben sich einen Bart wachsen lassen und diesen erst im Herbst abrasiert nach der Almsaison, wenn der Bauer, also quasi ihr Arbeitgeber, sie ausbezahlt hat.
Also das war schon ein gewisser Druck für die Bauern, glaube ich, dass sie einfach eine gute Zahlungsmoral haben.
Lisa Prantl: Ziemlich schlau. Ob sich auch unser erster Gast Peter Fuchs einen Bart stehen hat lassen, als er auf der Alm gearbeitet hat, habe ich ihn leider nicht gefragt, aber er war zwölf Sommer lang auf Almen unterwegs und setzt sich heute beruflich für den Erhalt der rund 2000 Almen in Tirol ein.
Ich habe ihn als erstes gefragt, ob das so stimmt, dass die Kühe sozusagen auf der Alm Urlaub machen.
Peter Fuchs: In gewisser Weise kann man das so sagen. Also es geht ihnen gut auf der Alm, sofern sie gut gehalten werden. Es ist sowieso immer ganz wichtig, dass die Mensch-Tier-Beziehung passen muss. Die Temperaturen kommen ihnen entgegen, es kommt ihnen der tägliche Weidegang entgegen, das ist an sich sehr, sehr gut. Egal ob das jetzt eine trächtige Kuh ist oder auch ein Jungrind ist, aber sie arbeiten natürlich auch oben.
Also unsere Kühe, unsere Nutztiere sind hart arbeitende Tiere, die viel fressen die ganze Zeit, das wiederkauen, und daraus gewinnen wir dann auch die tollen Produkte. Ob das jetzt Milch oder Fleisch oder was auch immer ist. Das muss ja durch dieses Gras, das für uns überhaupt gar nicht anders nutzbar gemacht werden kann, erst von den Tieren veredelt werden.
Also sie sind Arbeiter in dem Sinne, dass sie für uns die Lebensmittel machen. Und, ganz, ganz wichtig, ihre Arbeit ist es auch, die die Alm erst erhält. Das wird ganz häufig vergessen, dass wir, wenn wir die Nutztiere nicht oben hätten, dann haben wir die ganze Almparadies-Schönheit, die wir so gerne bewandern, wo wir Skifahren, Tourengehen, Radfahren, hätten wir nicht, weil die natürliche Vegetation der Almregionen wäre Wald.
Klaus Brunner: Ja, einerseits sind die Weidetiere auf der Alm also besonders wichtig für die Landschaftspflege in Tirol und andererseits entstehen dort oben auch ganz besonders wertvolle Lebensmittel, etwa Joghurt, Käse oder frische Milch.
Lisa Prantl: Genau, also Peter Fuchs hat mir erklärt, dass sich sowohl die Lebensumstände, also die viele Bewegung und frische Luft, aber eben auch die Nahrung der Tiere positiv auswirken.
Bis zu 70 verschiedene Kräuter wachsen auf so einem Quadratmeter Almwiese. Milch und Fleisch der Almkühe sind dadurch besonders nährstoffreich und das ist sogar wissenschaftlich nachgewiesen.
Peter Fuchs: Dort oben werden unter Voraussetzungen, die sich auch im Lebensmittel niederschlagen, Lebensmittel erzeugt. Vor allem natürlich aus der Milch, die wir von den Kühen bekommen, also Käse, Butter, Topfen, etc. Welche höhere ernährungsphysiologische Werte aufweisen, was zum Beispiel die Fettzusammensetzung der Omega-3, Omega-6-Fettsäuren anbelangt und was den Vitamin-E-Gehalt anbelangt.
Lisa Prantl: Und womit hängt das eigentlich genau zusammen, dass der Käse oder die Butter von der Alm nahrhafter ist als die Butter, die im Tal produziert wird?
Peter Fuchs: Das ist ein vielfältigeres Futter, das ist ein nicht so intensiv und schnell gewachsenes Futter, das aus vielen, vielen Gräsern und Kräutern besteht. Und dann kommt dazu, dass die Tiere, die weiden, ein sehr hohes Tierwohl genießen, dass die Sonneneinstrahlung gut ist für die Kühe, dass Bewegen gut ist und das schlägt sich tatsächlich auf die Zusammensetzung der einzelnen Bestandteile der Milch. Und das geht ja dann in den Käse und in die Butter nieder.
Lisa Prantl: Was ja viele nicht wissen, wenn sie in Tirol auf die Berge schauen, auf die Berglandschaft. Dieses Schachbrettmuster, die natürliche Vegetation wäre Wald. Die Berge wären alle bewaldet, also bis natürlich in die Höhen, wo die Waldgrenze ist, dann nicht mehr. Aber was kannst du uns denn darüber erzählen? Da spielt ja diese jahrhundertelange Tradition der Almwirtschaft schon auch eine große Rolle. Wie ist es denn entstanden in Tirol, dass wir die Tiere im Sommer auf die Berge treiben?
Peter Fuchs: Jahrhunderte ist eine dezente Untertreibung Es sind Jahrtausende wie die Forscher sagen, wohl nachgewiesenermaßen also fünf-sechs Jahrtausende. Ötzi war quasi auch schon ein Almbauer. Wo Menschen ihre Tiere, Schafe in erster Linie, dann in die höheren Regionen. Das ist ja auch so ideal, dass die leichteren Tiere, die steilen höheren Regionen freihalten und dann ab dem Waldgürtel, der zuerst einmal gerodet hat werden müssen, um dort Weidefläche zu gewinnen.
Dass das sozusagen etwas ist, das über Jahrhunderte durch wirklich harte, harte Arbeit so geworden ist, wie wir es jetzt genießen. Und diese Tradition, die setzt sich natürlich heute fort. Natürlich gibt es heute eine moderne Technik auf der Alm auch, aber es ist immer noch eine ganz, ganz harte Arbeit.
Also ich war selber zwölf Sommer auf Almen und ich kann ohne Übertreibung sagen, dass es eine immer noch richtig harte Arbeit ist mitunter. Aber eine wunderschöne, beglückende Arbeit natürlich, weil sie in dieser sehr langen Tradition eben auch steht und weil man mit den Tieren, die einen schon alles abverlangen, aber auch viel Freude hat einfach.
Lisa Prantl: Zu seinen zwölf Almsommern wollte ich dann natürlich gleich mehr wissen und habe Peter Fuchs gleich mal gefragt, ob das romantische Bild, das ich mir zum Beispiel von so einem Almsommer mache, eigentlich der Wahrheit zumindest nahe kommt. Und natürlich auch, was man mitbringen muss, wenn man einmal auf der Alm mitarbeiten möchte.
Peter Fuchs: Man soll sich selber die Frage stellen, was will ich dort oben? Und wenn ich diese Romantik zuvorderst habe, dann bin ich wahrscheinlich nicht derjenige, der dort oben besonders glücklich wird. Es gibt viele Fälle, wo Leute diese romantische Vorstellung rauftragen und relativ schnell, nach einer Woche, zwei Wochen, manchmal schon nach einem Tag draufkommen.
Nein, das ist ja ganz was anderes. Das ist ja harte Arbeit. Wobei es natürlich ganz unterschiedliche Almen gibt. Also eine Jungtieralm, wo ich unter Anführungszeichen nicht melken muss, wo ich nur schauen muss, dass es ihnen gut geht, das ist auch Arbeit, das ist eh ganz klar. Aber ist nicht so arbeitsintensiv wie eine Melkalm oder eine Sennalm. Das ist sicher die Champions League mit der meisten Arbeit.
Also man kann da schon Abstufungen treffen, das sollte man sich vorher eben auch überlegen, was will ich dort oben machen. Bin ich bereit, wirklich herausfordernde Situationen, Wetterextreme etc. anzunehmen, diese auch irgendwo zu überstehen, ohne dass ich gleich nach der Feuerwehr schreie, weil die gibt es da oben nicht.
Natürlich werden mir die Almbauern oder so zur Hilfe eilen, wenn jetzt zum Beispiel ein Wintereinbruch ist, ganz klar. Aber da ist dann jeder dermaßen gefordert und eben auch teilweise überfordert. Und wenn man sowas überhaupt nicht mag, dann soll man auch nicht raufgehen, finde ich. Also diese Fragen soll man sich stellen.
Dann soll man sich grundsätzlich stellen, will ich da allein rauf. Also es gibt ja viele Almen, die einer alleine schmeißen muss, das habe ich auch gemacht, oder im Team arbeiten. Körperliche Fitness ist natürlich keine schlechte Voraussetzung und wird schon bis zu einem gewissen Grad vorausgesetzt, aber ich sage immer, das war bei mir auch so, dass ich fit geworden bin auf der Alm, so richtig.
Also niemals in meinem Leben war ich so fit, als ich in der Zeit, wo ich halt tagtäglich immer körperlich gefordert und gefördert sozusagen worden bin. Das kommt, das stellt sich ein. Aber die psychische, emotionale Voraussetzung, die muss man bis zu einem gewissen Grad mitbringen.
Klaus Brunner: Ja, das sagt Alm-Experte Peter Fuchs.
Mir fällt noch was ein zu Almen. Da gibt es ja so ganz einen berühmten Spruch: „Auf der Alm, da gibt es keine Sünd.„
Lisa Prantl: Das hat man schon mal gehört. Aber wer uns bestimmt sagen kann, warum das überhaupt gesagt wird, ist...
Klaus Brunner: Die Goas die alles woas.
Goas: Es heißt ja oft, „auf der Alm gibt es keine Sünd.“ Woher das kommt, das schauen wir uns jetzt an. Die Zeit auf der Alm war damals wie heute von großer Freiheit geprägt, weil je weiter oben die Alm war, desto weniger Leute haben sich auch auf sie verirrt. Und wo wenig Leute sind, sind natürlich auch weniger wachsame Augen, die alles bewerten, was man tut.
Das hat halt auch die Fantasie im Tal beflügelt, weil man dachte, dass viel mehr Sündiges passiert, wenn jemand hinschaut. Aber eh schon wissen, wo kein Moralapostel, da keine Sünd. Die Kirchen hat vielleicht deshalb irgendwann einmal verlangt, dass die Sennerinnen vor und nach der Almsaison beichten gehen.
Bis sie dann überhaupt das Sennerinnenverbot ausgesprochen hat. Da hat sich freilich niemand daran gehalten und die Kirchen hat einlenken müssen. Aber sie hat trotzdem ein Dokument verlangt, das die moralische Eignung zum Almgang bestätigt hat. Das haben sich dann meistens ältere Bäuerinnen geholt und an die Jungen weitergegeben.
Der Satz „auf der Alm, da gibt es keine Sünd“, ist übrigens das erste Mal im Jahr 1841 belegt. Im Gedicht Alpenunschuld von Johann Nepomuk Vogel. Da erzählt Vogel von einer singenden Sennerin, die ihm in ihrer Hütte Herberge anbietet. Und wahrscheinlich nicht nur das, so wie der Autor schwärmt. Damit hat er halt das Klischee auch weiter beflügelt.
Ob es stimmt oder nicht, wissen wir natürlich nicht. Geht aber eigentlich auch niemandem was an.
Lisa Prantl: Ja, soviel zu den Klischees über die Almen. Zurück zur Realität Es ist so unglaublich wichtig, die Almen zu erhalten, aber warum ist das eigentlich so? Warum tummeln sich so viele Tiere und Lebewesen in den Almwiesen?
Das habe ich Marina Hausberger vom Naturpark Karwendel gefragt und wir haben sie natürlich auf der Alm getroffen.
Liebe Marina, wir sind hier auf der Arzler Alm. Das liegt ja genau zwischen dem urbanen Raum. Wir sehen unter uns die Stadt Innsbruck und hinter uns die Nordkette, wo ja der Naturpark Karwendel beginnt. Ein Naturschutzgebiet für das du mitverantwortlich bist.
Was müssen wir denn wissen über den Naturpark Karwendel?
Marina Hausberger: Ja, also wir sind hier auf der Arzler Alm, also ganz im südlichen Bereich vom Naturpark Karwendel. Direkt bei der Arzler Alm geht eigentlich die Schutzgebietsgrenze durch und alles, was quasi nördlich von uns ist, ist Schutzgebiet. Und wir haben im Naturpark Karwendel, also der Naturpark Karwendel hat 740 Quadratkilometer, also einen riesigen Fleck und ist auch der größte Naturpark in ganz Österreich.
Im Naturpark Karwendel haben wir verschiedene Ökosysteme, die in Europa auch recht selten geworden sind. In den Ökosystemen sind verschiedene Pflanzen- und Tierarten beheimatet, die man in Europa auch nicht mehr so oft findet. Deswegen ist das Karwendel auch schon ein ganz besonderer Platz und vor allem auch ein ganz wichtiger Platz, um verschiedene Arten und Ökosysteme zu erhalten.
Lisa Prantl: Ein besonderes Ökosystem ist ja auch die Almwiese, was viele gar nicht wissen. Und man fragt sich vielleicht, die Arzler Alm ist nicht die einzige Alm im Naturpark Karwendel, sondern ich glaube, es gibt ziemlich viele. Wie passt eigentlich Naturschutz und so eine Almwirtschaft mit Kühen oder Schafen oder Ziegen zusammen?
Marina Hausberger: Also die Arzler Alm, das ist eine von unseren 101 Almen. Also es gibt außer der Arzler Alm noch 100 im Naturpark Karwendel. Die noch bewirtschaftet sind. Also wir sind sehr almenreich und Naturschutz und Almwirtschaft passt eigentlich sehr gut zusammen. Vor allem wenn man von der extensiven Almwirtschaft spricht, wie sie ja bei uns meistens praktiziert wird.
Dann kann man da mit ruhigem Gewissen sagen, dass wir auf den Almflächen richtig hohe Artenvielfalt haben und das sehr artenreiche Hotspots im Naturpark sind. Also gerade auf den Almflächen, da hat man ja Bereiche, die offen sind und dann auch wieder Bereiche, die geschlossen sind. Also Übergangsbereiche von Wiesen und Wäldern und Gebüschen.
Und gerade in den ganzen Nischen findet man eben spezielle Arten, die sich eben da ansiedeln können. Vor allem sind Almflächen recht strukturreich. Also es gibt da steilere Bereiche, flachere, schattige, sonnige, feuchte, trockene. Und die ganzen Eigenschaften sind eben oft einmal gut, damit sich eben ganz verschiedene Arten ansiedeln können.
Lisa Prantl: Jetzt sehen wir unter uns ein paar junge Kühe, die fühlen sich da sichtlich wohl und grasen. Gibt es eigentlich auch Almflächen ohne Tiere? Ist das auch vorstellbar?
Marina Hausberger: Ja, also Almflächen ohne Tiere gibt es auch. Das sind dann zum Beispiel die Bergmähder, wo man dann die Wiesen mäht und wo jetzt keine Weidetiere weiden.
Die Bergmähder bleiben durch das offen, dass man mäht aber auf den meisten Almen im Karwendel bei uns hat man Weidetiere, die eben da grasen auf den Weideflächen und so die Landschaft offen halten. Also wenn die nicht da grasen, dann kommen wieder junge Bäume auf, junge Gebüsche und so weiter und dann dauert es nicht lang und man hat da keine Almwiesen mehr, sondern dann ist das wieder so ein Waldstandort.
Lisa Prantl: Und wenn ich das richtig verstanden habe, dann will man das vermeiden, dass es wieder ein Waldstandort wird?
Marina Hausberger: Ja, genau. Also Wald hat man ja sehr viel in Österreich und der Wald wird ja immer mehr, also die Waldfläche. Und so Almwiesen werden eher weniger, weil viel verwaldet. Und deswegen will man eigentlich das, was man jetzt noch hat an Almflächen, das will man eigentlich erhalten, damit das noch in die nächsten Generationen eben so weitergegeben werden kann. Und dass man auch die Arten, die auf den Almflächen beheimatet sind, auch noch weiterhin hat.
Lisa Prantl: Kannst du uns da ein paar Beispiele geben von Arten. Es summt und krabbelt wahrscheinlich in den Wiesen viel, viel mehr, als wir das so wahrnehmen, weil wir nur so durchwandern.
Was leben da für Tiere, die wir vielleicht nicht wahrnehmen, aber die total wichtig sind für uns?
Marina Hausberger: Also auf allen Wiesen da hat man jetzt gerade von den Pflanzenarten her, wenn man so über eine Almwiese geht, gerade so im Juni - Anfang Juli da ist ja alles bunt und da hat man verschiedene Orchideenarten, wie jetzt Knabenkräuter. Da hat man die Enzianarten, wie den Kalkenzian zum Beispiel, den kennen die meisten oder auch den gelben Enzian. Und an jeder von den Blütenpflanzen hängen ungefähr zehn Insektenarten dran. Also wenn eine von den Blütenarten da verschwindet oder von den Blumenarten, dann verschwinden eben auch Insektenarten damit. Dann gibt es auch bestimmte Vögel, die gerne auf Almflächen oder gerade auch im Übergangsbereich zwischen Almfläche und Wald unterwegs sind.
Das ist zum Beispiel der Zitronenzeisig oder die Ringdrossel. Also wenn man sich einmal auf einer Almwiese setzt und ein bisschen beobachtet, dann kann man ganz, ganz viele verschiedene Arten entdecken.
Lisa Prantl: So eine Almwiese braucht ja auch Pflege und das wird natürlich alles von Hand gemacht. Jetzt haben vielleicht weniger Menschen Zeit, den ganzen Sommer auf einer Alm mitzuhelfen oder mitzuarbeiten.
Ist das auch eine Herausforderung für die Almen im Karwendel und wie geht man damit um?
Marina Hausberger: Ja genau, das ist glaube ich gerade das Thema, das viele Leute, die jetzt nicht viel mit Almen zu tun haben, die das nicht sehen, das Thema. Dass so eine Alm sehr, sehr viel Arbeit ist, das so zu erhalten, wie das ist. Und früher hat es ja fast auf jeder Alm einen Almputzer gegeben.
Das waren Leute, die waren den ganzen Sommer auf der Alm oben und haben da eben geschaut, dass die Weideflächen von Steinen befreit werden, dass die entbuschen. Die haben gezäunt zum Beispiel. Also die haben einfach geschaut, dass die Weidefläche so gut wie möglich gepflegt ist, damit das Vieh auf die Alm kommt und genug zum Fressen hat.
Die haben das damals gemacht, das hat mir mal ein Landwirt erzählt, für ein Stück Butter und ein Paar Schuhe. Und natürlich für Kost und Logis, waren die den ganzen Sommer auf der Alm und so sind die da ihrer Arbeit nachgegangen. Und heute ist das natürlich anders. Die Landwirtschaft hat sich verändert, auch die Almwirtschaft hat sich verändert.
Die meisten Bauern arbeiten ja im Nebenerwerb. Und haben einfach auch nicht mehr so viel Zeit. Und für ein Paar Schuhe und ein Stück Butter geht jetzt auch keiner mehr arbeiten. Deswegen bleibt die Arbeit jetzt oft liegen. Und das ist auch das Problem auf vielen Almen, dass es verbuscht, dass es versteint und dass dann gewisse Flächen einfach nicht mehr nutzbar sind.
Und da schauen wir vom Naturpark Karwendel eben auch, dass wir da ein bisschen helfen können. Mit unserem Freiwilligenteam, dem Team Karwendel, unterstützen wir da die Almbauern bei der Almpflege.
Lisa Prantl: Kannst du mir das ein bisschen erzählen, wie so ein Tag gemeinsame Almpflege abläuft?
Marina Hausberger: Also wir haben auf der Homepage einen Bereich, wo wir verschiedene Aktionen, also Team Karwendel Aktionen, ausschreiben.
Das sind eben viele Almpflegeaktionen, aber es gibt auch Artenschutzprojekte oder Biotoppflegeprojekte, wo man sich eben als Privatperson anmelden kann. Und dann ist das zum Beispiel ein Wochenende auf der Arzler Alm, wo man sich in der Früh trifft. Dann wird ein bisschen überlegt, was gemacht wird. Es wird geschaut, wie schauen die Flächen aus, was ist zu tun.
Und dann kriegt jeder ein Werkzeug in die Hand gedrückt, bekommt erklärt, was zu tun ist und dann wird da gemeinsam den ganzen Tag gearbeitet. Es gibt immer eine gute Jause. Die Stimmung ist meistens gut. Am Ende des Tages, wenn alle recht müde werden, dann... Ja, es sind alle froh, wenn der Tag vorbei ist, oftmals.
Man unterschätzt es auch oft, wie hart die Arbeit ist, wenn man den ganzen Tag da in den Hanglagen steht und Latschen schwendet zum Beispiel oder die Steine wegräumt. Aber das Gute an der Arbeit ist, finde ich immer, dass man am Ende des Tages sieht, was man getan hat. Und das ist ja oft heute nicht mehr so, wenn man den ganzen Tag vor dem Computer sitzt und tausend E-Mails beantwortet und am Ende des Tages weiß man gar nicht mehr, was man alles gemacht hat.
Das ist auf der Alm nicht so. Also da ist es definitiv. Du siehst die Fläche danach und siehst genau, was du getan hast und was du geschafft hast. Und deswegen ist das, glaube ich, auch so eine befriedigende Arbeit für viele Leute. Weil das vielleicht in vielen Jobs heute fehlt.
Lisa Prantl: Ich finde das spitze, dass man für den Naturschutz so aktiv was machen kann, weil oft ist es ja das Hauptaugenmerk, dass man ganz viele Dinge nicht machen sollte oder weglassen sollte.
Bestimmt eine coole Sache, wenn man mal ein, zwei Tage als Freiwilliger seine Zeit einbringen kann für den Naturschutz. Neben den Weideflächen für die Nutztiere in Tirol und natürlich neben dem großen Wert für die Biodiversität, gibt es noch etwas Neues, was wir unbedingt wissen sollten über die Funktionen von Almen, die wir jetzt noch nicht besprochen haben.
Marina Hausberger: Ja, also es gibt da ein Thema für das Almflächen, also wenn sie bewirtschaftet sind, gut sind noch. Und das ist eigentlich Schutz vor Naturgefahren. Also wenn man sich vorstellt, wenn keine Viehe mehr auf die Alm gehen, dann wächst ja in den ersten Jahren einfach das Gras ganz lang. Also es wird nicht mehr abgefressen, sondern man hat einfach ganz langes Gras, das verfilzt dann so und ist dann wie so eine undurchlässige Matte über dem Boden.
Und gerade das Thema ist ein großes Thema zum Hochwasserschutz. Also wenn du so langes Gras hast auf den Almflächen, dann hast du wenig Wasser, das versickern kann und ganz viel Oberflächenwasser, das abfließt. Und das kann ein Thema sein, was zum Beispiel Hochwasser im Tal oder in den Tallagen fördern kann.
Und das zweite Thema, das sind die Lawinen. Gerade auf dem langen Gras in den steilen Lagen können Lawinen leichter abrutschen und auch die Bodennarbe aufreißen. Also wenn das lange Gras dann in den Schnee einfriert und dann die Lawinen abrutschen, also gerade die Grundlawinen, dann reißt der Boden auf. Die Bodennarbe ist offen und dann hat man den ersten Angriffspunkt für Erosion.
Und so kann der ganze Humus dann weggeschwemmt werden. Also die zwei Themen sind vielleicht auch noch ganz wichtig zu erwähnen, wenn es um Almen geht.
Lisa Prantl: Ja, das war mein Gespräch mit Marina Hausberger von einer der 101 Almen im Karwendel, dem größten Naturpark Österreichs.
Klaus Brunner: Und falls ihr Lust bekommen habt, jetzt selbst mal auf eine Alm zu gehen oder vielleicht auch mal mitzuarbeiten, wir haben alle wichtigen Infos in den Shownotes verlinkt.
Lisa Prantl: Ja wohin soll unser nächster Hörausflug führen? Schreibt uns doch eine E-Mail an.
Klaus Brunner: info@tirol.at
Lisa Prantl: Und damit bis zum nächsten Mal.
Klaus Brunner: Pfiat enk
Neuer Kommentar