#15 Schmuggeln in den Alpen: Am Rande des Abgrunds

Shownotes

In dieser Episode der Hörausflüge beschreiten wir illegale Pfade. Wir nehmen nämlich das Schmugglerwesen zwischen Nord- und Südtirol unter die Lupe. Dazu treffen wir den Journalisten Gero Günther, der sich auf die zerklüfteten Schmugglerpfade zwischen dem Zillertal auf österreichischer und dem Ahrntal auf italienischer Seite begeben hat und uns von seinen eindrucksvollen Erlebnissen auf den Spuren der Schmuggler berichtet.

Heute denkt man bei Schmugglern oft an wilde Abenteurer - die Realität sah damals anders aus: Meist waren es junge Männer aus ärmlichen Verhältnissen, die sich in das gefährliche Gelände wagten, um den Zoll zu umgehen und mit ihren Waren bis zu vier Monatslöhne zu verdienen. Schlecht ausgerüstet und mit schwerem Gepäck endeten die Touren im hochalpinen Gelände immer wieder in einer Katastrophe und statt mit Taschen voller Geld kehrten manche Schmuggler gar nicht mehr zurück. Was geschmuggelt wurde, änderte sich auf Laufe der Jahrhunderte, je nach Verfügbarkeit, Wert und Nachfrage. Was unsere Podcast-Hosts Lisa und Klaus noch erfahren, dass nicht nur Waren, sondern auch Know-how geschmuggelt wurde. Vor allem Wissen über Waffenherstellung und Technologien konnten grenzüberschreitend teuer verkauft werden.

Die ausgeschilderten Schmugglerpfade von der Kasseler Hütte in den Zillertaler Alpen über das Keilbachjoch bis ins Ahrntal sind heute als mehrtägiger Themenweg begehbar, wobei dafür alpine Erfahrung und Trittsicherheit vorausgesetzt werden. Schmuggler-Themenwege, die einfacher zu erreichen sind, findet man auch auf der Hochalpenstraße Timmelsjoch oder – kinderfreundlich und mit Unterstützung eines Sessellifts – im Tannheimer Tal.

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 Lisa Prantl: Heimlich und schwer bepackt über die steilsten Berge.

Klaus Brunner: Wo heute Wanderwege die Grenzen verbinden, waren früher bei Nacht und Nebel Schmuggler unterwegs.

Klaus Brunner: Warum haben sie sich dieser Gefahr ausgesetzt? Das finden wir in diesem Hörausflug heraus. Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Hörausflüge dem Tirol-Podcast. Mein Name ist Klaus Brunner …

Lisa Prantl: …und ich bin Lisa Prantl. In dieser Episode begeben wir uns auf die Spuren von Schmugglern.

Klaus Brunner: Ja, von Kaffee Zigaretten über Wein bis hin zu Gämsen und Badeschlappen. All das und vieles mehr wurde lange Zeit heimlich bei Nacht und Nebel und unter großer Gefahr über die Alpenpässe geschmuggelt.

Lisa Prantl: Bergsteigen mit 60, 70 oder noch mehr Kilo auf dem Buckel, möglichst schnell und geräuschlos über die Alpen, um nicht entdeckt zu werden. Das Schmuggeln wird gerne als Abenteuergeschichte erzählt. Klar ist, geschmuggelt wurde über die Tiroler Grenzen, was das Zeug hält.

Klaus Brunner: Ja warum damals so viel geschmuggelt wurde, das erzählt uns gleich der Journalist Gero Günther. Er ist im Zillertal auf dem Ahrntaler Schmugglerpfad unterwegs gewesen, der heute als Wanderweg ausgeschildert ist. Aber vorher müssten wir vielleicht erst einmal erklären, was genau Schmuggeln überhaupt ist und was nicht. Lisa, hast du schon mal was geschmuggelt?

Lisa Prantl: Nicht wirklich, zumindest nicht bewusst. Und du?

Klaus Brunner: Ich muss zugeben, ja. Das dürfte Anfang der 90er gewesen sein. Da waren wir mit der Familie in Südtirol auf Urlaub und auf dem Rückweg haben wir dann eine Weinrebe aus Kaltern mitgenommen. Gut versteckt unter Decken, das war für mich als Kind wahnsinnig abenteuerlich. Die Zöllner haben das entweder nicht gesehen oder nicht sehen wollen. Jedenfalls seitdem wächst bei uns auf der Terrasse eine Weinrebe. Ein wunderschöner Weinstock mit guten süßen roten Trauben. Kann man sich nicht mehr vorstellen, dass das Schmuggeln einer Pflanze, was Illegales hatte, das war bestimmt sehr aufregend.

Klaus Brunner: Ja genau, damals war das so.

Lisa Prantl: Ab wann und warum man überhaupt von Schmuggeln spricht, habe ich noch Historiker Georg Neuhauser von der Uni Innsbruck gefragt. Er sagt, man wisse nicht genau, wann sich in unserer Region zum ersten Mal Grenzen gebildet haben. Spätestens mit den Römern, die etwa 15 vor Christus zum ersten Mal über den Brenner marschiert sind. Die Wege die wir heute als sogenannte Schmugglerpfade kennen, die sind aber jedenfalls noch mal viel älter.

Georg Neuhauser: Wir wissen ja zum Beispiel von so Übergängen wie dem Pfitscher Joch, dass die sicher schon seit der Urgeschichte begangen worden sind, dass man dort schon auch gewirtschaftet hat auf diesen Hochregionen. Und das darf man ja auch nicht vergessen, diese Hochgebirgsregionen waren mit Sicherheit seit dem Mesolitikum, also seit der mittleren Steinzeit, permanent begangen und somit hat dann dieses Schmuggelwesen eigentlich auf eine bereits bestehende Handelstradition aufbauen können. Der einzige Unterschied ist, dass man dann eben diese Waren und dieses Know-how Illegal drüber bringt und nicht auf legalem Weg. Aber die Wege selbst sind für sehr lange Zeit ganz dieselben gewesen und dieselben geblieben. Und das kann man im Zillertal recht gut nachverfolgen. Was dann ganz spannend ist, natürlich ab dem Zeitpunkt wo Südtirol Italien zugeschlagen worden ist, also nach dem Ersten Weltkrieg, dass eben diese Grenze dann streng bewacht wird.

Klaus Brunner: Also der illegale Charakter des Transports ist das entscheidende Merkmal des Schmuggelns. Vor allem wollte man Zölle und Handelsbeschränkungen vermeiden oder umgehen. Aber welche Waren geschmuggelt wurden, das hat sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert.

Georg Neuhauser: Es hat sich schon verändert, weil bestimmte Waren in den Zeitscheiben lange vor unserer Zeit noch nicht existiert haben, die man dann später geschmuggelt hat. Ein Thema das hier sicher nicht auf dem Plan der Schmuggler gestanden hat für Jahrhunderte oder eigentlich für Jahrtausende war Tabak beispielsweise, auch Zucker, weil das alles erst Waren einer Zeit sind, die, ich sage mal, 200, höchstens 300 Jahre her sind. Davor hat man halt andere Waren und Produkte geschmuggelt. Und das Know-how vor allem dann auch geschmuggelt, wie Salz beispielsweise aber auch Vieh das man über die Grenze hinweg geschmuggelt hat. Da gibt es tolle Beispiele dann vor allem auch aus dem späten Mittelalter und der frühen Neuzeit, wo die großen Viehimporte aus Innerösterreich aus Ungarn ausgeblieben sind, weil dort eine Viehseuche grassiert hat. Und dementsprechend hat dann der Landesfürst ein Ausfuhrverbot für heimisches Vieh erlassen. Allerdings mit dem großen Nachteil, dass man auf dem heimischen Markt nicht den Preis bekommen hat, den man teilweise eben im Ausland bekommen hätte. Und da ist eigentlich ganz spannend, wenn man sich überlegt was bedeutet damals Ausland, weil wenn man von Schwaz beispielsweise einen Ochsen ins Zillertal hineingetrieben hat, dann war man eigentlich schon im Ausland, weil das Zillertal bis zum ins 19. Jahrhundert, bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts Teil des Erzbischofs- oder des Erzhochstiftes von Salzburg gewesen ist.

Lisa Prantl: Ja, bei Vieh oder Salz kann ich mir noch vorstellen, wie man es geschmuggelt hat. Aber beim Schmuggeln von Know-how habe ich nochmal genauer nachgefragt.

Georg Neuhauser: Wissen schmuggelt man, indem man natürlich in erster Linie Menschen, schmuggelt. Wir haben ja ganz berühmte Gießerfamilien hier in Innsbruck, die ansässig waren, wie zum Beispiel die Familie Löffler. Aber auch, die heute noch existierende Familie Grasmeier hat schon im Spätmittelalter, und dann vor allem in der frühen Neuzeit Kanonen für das Habsburger Imperium gegossen. Und dieses Wissen ist natürlich ganz stark dann auch unter Verschluss gehalten worden, weil man muss der Bezüglich der Legierung, also das sind vor allem Bronzegeschütze die hier produziert werden und man muss hier ganz genau achtgeben, wie man die Legierung zusammensetzt zwischen Kupfer und Zinn in diesem Falle, damit diese Geschütze zwar relativ leicht sind, sehr widerstandsfähig auf der einen Seite und dementsprechend dann logischerweise bei den Geschützführern dann zu keinem Schaden führen, indem sie dann die Rohre einfach zerreißt. Also das war ganz, ganz wichtig, dass dieses Know-how und dieses Wissen, das ist nicht aufgeschrieben worden, sondern das ist quasi nur vom Meister an seinen Gesellen weitergegeben worden. Und wenn dieser Geselle dann natürlich dementsprechend aus Tirol weg ist und dieses Wissen dann verkauft hat, dann quasi ist Wissen geschmuggelt worden.

Klaus Brunner: Ja, spannend. Die Geschichte der Familie Grasmeier aus Innsbruck könnt ihr auch im gleichnamigen Museum erleben. Und dort noch heute in der offenen Werkstatt beim Glockengießen zuschauen.

Lisa Prantl: Zusammengefasst kann man also sagen, ob in den Alpen oder anderswo, Schmuggeln entsteht meist aus großer Not heraus. Das hat auch Journalist Gero Günther so erzählt. Er ist vier Tage lang auf dem historischen Schmugglerpfad zwischen dem Südtiroler Ahrntal und dem Nordtiroler Zillertal unterwegs gewesen und hat dabei Menschen getroffen, die sich noch gut an die Schmuggler erinnern können. Sie haben ihm erzählt, dass diese Schmuggler-Touren damals mehrere Monatsgehälter eingebracht haben, jedenfalls ganz schön viel Geld. Diese Touren waren aber auch sehr gefährlich und viele Menschen sind beim Schmuggeln auch ums Leben gekommen. Das ist ein Aspekt, der bei dem oft romantisierten Bild des Schmuggelns gern vergessen wird. Als erstes habe ich Gero Günther gefragt, ob er uns die Gegend, wo er da unterwegs war, beschreiben kann.

Gero Günther: Das ist eine sehr, sehr spezielle Gegend muss ich sagen. Das merkt man eigentlich erst, wenn man weit oben ist. Man geht da über die Kasseler Hütte. In der Kasseler Hütte sind fast alle Wanderer nehmen einen anderen Weg als den, den wir genommen haben. Also ich glaube, es gab keine einzige Person, die über das Kalbachjoch wollte, obwohl da ganz sicher irgendwie 80 Wanderer oder sowas waren. Und ich hatte auch den Eindruck, dass selbst der Hüttenwart nicht ganz gut Bescheid wusste über diesen Schmugglerweg, der relativ neu eingerichtet wurde. Also das ist ein richtiger Themenweg, den man da zwischen vier und fünf Tagen machen kann. Und das ist ein wirklich anspruchsvoller Weg. Also wir hatten sehr schwierige Wetterbedingungen. Die Gegend ist einfach unglaublich karg und zerklüftet, sodass der Weg übers Kalbachjoch eigentlich, das sind überall Markierungen, aber wenn du dann deinen Weg irgendwie sozusagen nachvollziehst, dann denkst du, es ist eigentlich egal, wo du gegangen bist. Also es sind Markierungen, aber es ist gar kein, man könnte auch zehn Meter daneben gehen, weil eigentlich geht man immer nur über Felsen und kraxelt ziemlich viel. Also so habe ich es zumindest empfunden. Und als wir dann oben an dem Joch standen, es hat angefangen ich glaube zu graupeln und zu schneien. Ein bisschen weiter oben hat man gesehen, dass es Schnee war, im August wohlgemerkt. Da haben wir nach unten geschaut und gedacht, Wo zum Kuckuck ist hier der Weg? Also man hat ihn einfach so als Struktur nicht erkennen können und musste auch wirklich ununterbrochen nach den Markierungen suchen. War das vielleicht der Vorteil hier zu schmuggeln, weil es ja auch für die, die das Schmuggeln vielleicht verhindern wollten, ein sehr unwirksames Gelände gewesen wäre, wo der Schmuggel vielleicht nie aufgefallen wäre?

Gero Günther: Das haben mir alle Menschen, die ein bisschen älter waren und tatsächlich noch mit Schmuggel zu tun hatten, genauso erzählt, dass da oben eigentlich, das war komplett unkontrollierbar. Die Beschaffenheit der Wege dort war so, dass das die Zöllner glaube ich gar nicht geschafft hätten, sich da oben irgendwie so zu positionieren, dass man das verhindern kann. Die haben immer versucht, die Leute weiter unten abzufangen. Nein diese Grenze lässt sich nicht kontrollieren. Das ist zu unwegsam. Es sind ja auch tatsächlich sehr viele Schmuggler ums Leben gekommen, weil die Wege so schwierig waren und weil die ja auch zum Teil bei sehr schwierigen Bedingungen unterwegs waren. Da gibt es sehr berühmte Abstürze, die tatsächlich bis heute dort in der Gegend so einen mythischen Charakter haben.

Lisa Prantl: Und jetzt bist du den Weg selbst gegangen. Also das Leid oder die Versuchung zu schmuggeln muss ja schon sehr groß gewesen sein. Was hast du herausgefunden über das Schmuggeln? Warum haben sich die Menschen das angetan, über diesen Weg auch noch schweres Gepäck zu tragen und sich eben diesen Gefahren auszusetzen?

Gero Günther: Ja, das ist ganz einfach. Die Leute waren sehr, sehr arm. Das waren fast alles Bergbauern-Jungs, die das gemacht haben. Viele Knechte tatsächlich, die sehr wenig Geld bekommen haben. Und es kursierte da immer so eine Zahl, dass man mit einem Gang, ich glaube, fast vier Monatslöhne verdienen konnte. Also das war schon eine lukrative Sache, auch wenn es riskant war. Wir haben auch gehört von Menschen, die große Mengen Wein geschmuggelt haben und dann beispielsweise gestürzt sind und dann zack Ist natürlich das ganze Investment sozusagen zerbrochen.

Lisa Prantl: Abgesehen vom Wein, was wurde denn geschmuggelt und in welche Richtung eigentlich?

Gero Günther: Es wurde in beide Richtungen geschmuggelt das hat die Sache vielleicht dann noch lukrativer gemacht. Also von Italien tatsächlich Wein, Öl Kaffee Lebensmittel aller Art und von Tirol rüber waren es wohl viel Tabak. Es war die Rede von Tieren sogar, es wurden wohl Herden drüber getrieben, wobei das jetzt zum Beispiel beim Keilbachjoch überhaupt nicht sein könnte. Da kannst du keine Kühe drüber treiben. Einmal habe ich sogar gelesen, dass man Gämsen irgendwie über... Irgendwelche Jöcher getrieben hat. Ich weiß nicht, was da der Hintergrund ist. Man liest sehr viele verschiedene Anekdoten und ist nicht ganz sicher, was davon stimmt. Also das ist auch tatsächlich ein wichtiges Element bei den Recherchen gewesen. Ich habe auch alte Zeitungsartikel recherchiert und man wusste nie so ganz genau, ist das jetzt tatsächlich so passiert oder hat sich das jemand so ein bisschen auch romantisch aufgehübscht sozusagen.

Lisa Prantl: Ja, die Illegalität des Ganzen macht es natürlich auch schwierig, da nachzuforschen was genau passiert ist. Aber du hast, glaube ich, unterwegs auch Persönlichkeiten getroffen, die dir eben solche Anekdoten erzählt haben. Was waren denn die Wegbegleiter auf dieser Strecke?

Gero Günther: Wir haben auf der Golser Alm den Seppl getroffen, dessen Bruder geschmuggelt hat. Er selber hat darauf bestanden nicht selber drüber gegangen zu sein als Schmuggler. Der hatte so ein paar Anekdoten. Der hat vor allem ganz stark betont, dass nur sie, die Bergbauernbuben, das geschafft haben und hat dann so ein bisschen beschrieben wie er als junger Mann gearbeitet hat, wie viel die da ganz normal während ihrer Arbeit schleppen mussten die ganze Zeit und das war natürlich die Qualifikation sozusagen, um sowas auszuhalten. Also der hat dann auch darauf bestanden, so ein bisschen süffisant, dass die heutigen Hochleistungssportler nicht fähig wären, das zu machen, was sie damals gemacht haben. Also einfach dieses Bergsteigen nicht nur sehr schnell, sondern mit diesem Gewicht das macht ja kein Mensch. Also diese Disziplin meines Wissens gibt es noch nicht, sich absichtlich irgendwie 45 Kilo auf den Buckel und dann zu rennen.

Lisa Prantl: Ja, ich glaube, ich habe gelesen, er war Holzarbeiter, hast du geschrieben. Ich weiß nicht, wie die Holzarbeit vor 50 Jahren ausgeschaut hat, aber wahrscheinlich war es sehr anstrengend. Also wird er wohl einen Punkt haben. Was wahrscheinlich auch sehr wichtig war, war die Ortskundigkeit von den jungen Männern, die dann vorrangig geschmuggelt haben.

Gero Günther: Ja, ganz sicher. Also es ging nicht nur um die Ortskundigkeit, die mussten ja auch die Verbindungen haben. Also die mussten ja wissen, wo die Ware dann abgelegt wird und... Ich glaube, die wussten natürlich auch, wenn jemals ein sogenannter Finanzieri, also die Zöllner auf der italienischen Seite aufgetaucht wäre, wo man dann schnell fliehen kann.

Lisa Prantl: Hast dich das sehr beschäftigt auf dem Weg über das Joch mit diesem ganzen Wissen das du im Vorhinein recherchiert hast?

Gero Günther: Ja, das war natürlich das Dauerthema zwischen mir und dem Fotografen Olaf Unferzart. Wir haben uns immer vorgestellt, wie das jetzt wäre, wenn wir noch das das Vierfache an Gepäck auf dem Rücken hätten, oder zum Teil war es ja noch mehr, was sie geschleppt haben. Das war uns einigermaßen unverständlich, wie man das überhaupt packen kann. Und ja, natürlich fragt sich dann oder versucht man sich vorzustellen, was für eine Art von Armut das gewesen sein muss, die die Leute dazu getrieben hat. Weil heute sind es ja auf beiden Seiten touristische Gegenden mit einer perfekten Infrastruktur netten kleinen Hotels. Das hat sich einfach tatsächlich sehr, sehr stark verändert, die Gegend also auch als wir den Seppl getroffen haben, das war wie wenn jemand aus einer ganz anderen Epoche erzählt, als der von seiner Jugend berichtet hat. Seine Behausung auf der Golser-Alm sah tatsächlich auch so nach Zeitreise aus. Der hat uns da kurz reingelassen, da war dann so ein offenes Feuer, wo er kocht, es waren unglaublich viele Trophäen dort, unheimlich viel kuriose Alkoholflaschen, also es war auch wie aus der Zeit gefallen und ja, wir wurden da auch ganz schön mit Schnaps bewirtet, wenn ich mich richtig erinnere.

Lisa Prantl: Da stelle ich mir sehr, sehr wertvoll vor, da jemanden zu treffen, der, ja, ich glaube, er ist ungefähr Mitte 70, habe ich gelesen, der da einen größeren Zeitraum hat, um diese Entwicklung einzuordnen. Wie hast du dich denn sonst auf die Tour vorbereitet Hast du dich da mit lokalen Bergführern, Tourguides kurzgeschlossen?

Gero Günther: Ich hatte das große Glück, im Internet gesehen zu haben, dass eine Bergführerin aus Vorarlberg das tatsächlich anbietet als buchbare Tour. Die wollte mich auch gleich mitnehmen. Ich konnte zu dem Termin nicht. Die hat mich dann, das war sehr, sehr nett mit allerlei Informationen versorgt. Und ich habe mich aber auch tatsächlich ins Internet begeben und habe so eine ganz große Recherche in Bibliotheken gemacht, da konnte man einfach die ganzen Einträge aus den lokalen Zeitungen von damals finden und das war sozusagen im Wochentakt. Also irgendwann habe ich dann auch wieder aufgegeben, weil es so viele Artikel waren, die da erschienen sind. Es war einfach tatsächlich ein Dauerthema.

Lisa Prantl: Also es war eigentlich was Alltägliches obwohl es so extrem war.

Gero Günther: Es war definitiv was Alltägliches und zwar eben nicht nur an der Grenze sondern an allen Grenzen die es damals gab, auch an der bayrisch-tiroler Grenze. Es waren immer verschiedene Epochen betroffen, die sozusagen die Hochzeiten waren und auch verschiedene Waren. Das war natürlich von der Wirtschaftslage einfach abhängig was sich gelohnt hat und wie viel Geld da zu verdienen war und wie stark der Staat eingegriffen hat, wie stark das kontrolliert wurde auch. Es sind natürlich auch viele Leute ums Leben gekommen, weil da wurde natürlich dann auch geschossen.

Lisa Prantl: Also eigentlich schon auch eine sehr dramatische Zeit mit persönlichen traurigen Schicksalen, die im Nachhinein oft glorifiziert wird oder romantisiert wird. Das Schmuggeln wie vielleicht auch das Wildererwesen in Tirol. Es gibt ja auch viele Filme dazu, in denen das, dass so ein bisschen heroisiert wird, die Menschen, die geschmuggelt haben.

Gero Günther: Ja, genau. Also heroisiert und zu so einer komischen Folklore verwandelt. Ich glaube, man hat das Leid so ein bisschen dann in so eine machohafte Helden-Nummer umgedreht. Das ist ein bisschen traurig eigentlich, dass dieses Thema Armut dadurch so in den Hintergrund geriet, weil das war ja tatsächlich eine Motivation, die die Leute hatten, die vielleicht wenn man sich das so anschaut auch mehr Verständnis heutzutage für Grenzübertritte und Migranten hervorrufen könnte. Also das waren ja wirklich Menschen, die sich das nicht ausgesucht haben, da in die Illegalität zu gehen.

Lisa Prantl: Abschließend: du hast jetzt das Schmuggelwesen sozusagen in den Knochen nach einer viertägigen Tour, wo es nur darum gegangen ist. Was wird dir von dieser Recherche in Erinnerung bleiben, wenn du in ein paar Jahren zurückblickst auf die Schmugglergeschichte von Südtirol ins Zillertal?

Gero Günther: Also ich glaube, was mir tatsächlich am meisten in Erinnerung bleiben wird, ist diese irre Landschaft da oben. Wir hatten schlechtes Wetter. Das hat die Sache noch dramatischer gemacht. Aber diese Landschaft... Hat mich echt umgehauen. Also sowas habe ich glaube ich noch nie gesehen, zumindest nicht in den Alpen. Es ist so verblockt also über das Heiliggeistjöchel, den Weg, den wir dann zurück von Südtirol nach Tirol genommen haben, das war jetzt weniger schwierig als das Keilbachjoch, aber es war einfach, man ging die ganze Zeit auf Steinplatten, es gab keinen Baum, keinen Strauch mehr. Es sah aus wie auf dem Mond. Also ich kann es allen Menschen, die irgendwie eine Gegend erkunden wollen, die so ein bisschen extremer ist, sehr ans Herz legen, weil das fühlt sich wirklich nach Abenteuer an.

Klaus Brunner: Ja, vielen Dank an Gero Günther für diese Erzählungen und seinen Text über das Tiroler Schmuggelwesen. Nachzulesen ist die Reportage im Mein Tirol Magazin Und das könnt ihr kostenlos abonnieren unter www.tirol.at/magazin. Und wer jetzt Lust bekommen hat, mal einen Schmugglersteig nachzuwandern, wir haben alle Infos dazu für euch in den Shownotes verlinkt. Aber keine Angst, nicht alle davon sind so anspruchsvoll, wie der Ahrntaler Schmugglerpfad, den Gero Günther nachgegangen ist.

Lisa Prantl: Das Timmelsjoch kann etwa über eine Hochalpenstraße mit dem Auto, dem Bus oder auch mit dem Rad überquert werden. Auf der Passhöhe gibt es auch ein Denkmal namens der Schmuggler, das ist ein begehbarer Würfel und im Inneren gibt es viele Informationen über das Schmuggeln und die Gefahren, welchen die Menschen damals im Hochgebirge ausgesetzt waren.

Klaus Brunner: Und beim Tannheimer Schmugglersteig kann man einige Höhenmeter mit dem Sessellift abkürzen und die Wanderung ist dann zum Beispiel auch mit Kindern gut machbar.

Lisa Prantl: Bevor wir aber langsam zum Ende des heutigen Hörausflugs kommen, wie immer Merkwürdiges und Kurioses rund ums Schmuggeln in Tirol. Dazu hat mir Gero Günther noch etwas Lustiges erzählt. Er erinnert sich noch daran, als er in den 90er Jahren aus München zum Wandern nach Tirol gefahren ist. Genauer gesagt in die Eng, ein Tiroler Almdorf das nur über Deutschland erreichbar ist. Die Einführung von Lebensmitteln wurde damals noch kontrolliert und somit war streng genommen selbst die Jause die er dabei hatte, eigentlich illegal.

Klaus Brunner: Ja, das ist etwas, das seit dem EU-Beitritt Österreichs zum Glück nicht mehr vorkommt. Genau deshalb gibt es aber entlang der Grenze zwischen Tirol und der Schweiz noch immer ein reges Schmuggelwesen. Dort werden Zigaretten, Spirituosen oder auch Luxusuhren und Schmuck nach wie vor häufig geschmuggelt. Sowohl die Zöllner als auch die Schmuggler und Schmugglerinnen sind dort auf Skiern unterwegs im grenzüberschreitenden Skigebiet von Ischgl.

Lisa Prantl: Klingt abenteuerlich. Und noch ein Buchtipp zum Schluss zum Thema Schmuggeln von Knowhow. Im Roman ‚Der Meister des siebten Siegels‘ flieht ein Geschützgießer aus Tirol über die Alpen nach Venedig und stellt sein Wissen schließlich in den Dienst der englischen Königin. Eine fiktive Geschichte, die im Silberbergwerk in Schwarz beginnt und sich zu einer rasanten und spannenden Europareise entwickelt. Vielleicht ein Tipp für alle, die mehr über Tiroler Geschichte lernen möchten. Und wer jetzt besonders aufmerksam war? Einen Tipp oder eine Info sind wir noch schuldig nämlich das mit den Gämsen. Lisa, warum wurden eigentlich damals Gämsen geschmuggelt?

Lisa Prantl: Ja, ganz genau konnte ich das eigentlich gar nicht herausfinden Klar ist, das Fleisch ist etwas wert gewesen, es gilt als Delikatesse, aber auch die Trophäen, für die manche viel Geld bezahlen. Ein weiterer Grund könnte schlicht der Erhalt von den verschiedenen Populationen gewesen sein.

Klaus Brunner: Ja, das war's vom heutigen illegalen Hörausflug. Wir hoffen es hat euch genauso viel Spaß gemacht wie uns. Vielen Dank fürs Zuhören. Wir freuen uns, wenn ihr auch beim nächsten Mal wieder mit dabei seid.

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