#13 Zum Wohl in Tirol: Von der Obstwiese ins Schnapsglas
Shownotes
Für unseren heutigen Hörausflug haben wir – rein sprichwörtlich natürlich - tief ins Glas geschaut, um dem Geheimnis des Schnapsbrennens in Tirol auf den Grund zu gehen. Warum spielt der Obstbrand gerade in Tirol seit Jahrhunderten eine wichtige Rolle? Was hat Kaiserin Maria Theresia mit Brennereien auf dem Hut? Und welche Schnäpse in Tirol – vom berüchtigten Krautinger aus der Wildschönau bis zum Osttiroler Pregler - muss man unbedingt probiert haben?
Das Schnapsbrennen hat in Tirol eine lange Tradition. Früher war der hochprozentige Alkohol allerdings nicht nur Genuss-, sondern auch Zahlungsmittel und wurde oftmals für medizinische Zwecke eingesetzt, zum Beispiel zum Desinfizieren. Das erzählt uns Ulrich Jakob Zeni, Fachberater für Obstverarbeitung in der Landwirtschaftskammer Tirol. Von ihm erfahren wir auch, dass die Herstellung von Destillaten lange Zeit ausschließlich in Frauenhand war, da diese für die Feuerstelle und folglich auch für das Schnapsbrennen zuständig waren.
Wer sich in Tirol für edle Spirituosen interessiert, kommt am Brennereidorf Stanz nicht vorbei: Fast 60 Brennereien gibt es in dem 600-Einwohner-Ort, der vor allem für seine besonders süßen Zwetschken bekannt ist. In Stanz treffen wir Simon Nothdurfter, seines Zeichens natürlich Schnapsbrenner sowie Besitzer eines Hofladens. Simon gibt uns spannende Einblicke in den Herstellungsprozess von Edelbränden und verrät uns, warum ausgerechnet in Stanz, dem höchst gelegenen Obstanbaugebiet Europas, so ausgezeichnete Destillate hergestellt werden.
Ein hochprozentiger Hörausflug in die Welt des Tiroler Schnaps. Wir wünschen euch viel Freude beim Hören und – verantwortungsvollem – Genießen!
Links: Blog: Besondere Edelbrände – Schnaps aus Tirol Übersicht: Tiroler Schnapsroute – auf den Spuren kulinarischer Tradition Buchtipp: Tiroler Schnapsroute von Wendelin Juen und Ulrich Jakob Zeni Giggus Brennerei von Simon Nothdurfter
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Lisa Prantl: Von der Obstwiese in den Kupferkessel. In dieser Episode geht es um süße Früchte und scharfes Wasser.
Klaus Brunner: Wir besuchen ein Tiroler Dorf in dem in fast jedem Keller Schnaps gebrannt wird. Und wir finden heraus, was das alles mit der Pest zu tun hat.
Lisa Prantl: Außerdem wollen wir wissen, warum in Tirol sogenannte ‚Soachruabn ‘ im Schnapsglas landen und was das mit Kaiserin Maria Theresia zu tun hat.
Klaus Brunner: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Hörausflüge dem Tirol-Podcast. Ich bin Klaus Brunner.
Klasu Brunner: Und mein Name ist Lisa Prantl. Die einen lieben die anderen hassen ihn. Tirol wird behauptet ist für den Obstbrand, was Schottland für den Whisky ist. Neben Apfel Marille, Birne oder Zwetschge werden in Tirol aber auch Enzian, Meisterwurz, Vogelbeeren Und Stoppelrüben, im Dialekt Soachruabn genannt, zu Schnaps destilliert.
Klaus Brunner: Also eigentlich wird alles zu Schnaps gemacht. In Tirol einen selber brennenden, also einen im eigenen Keller gebrannten Schnaps angeboten zu bekommen, ist nichts Ungewöhnliches. Und für viele ist das Schnapsbrennen oder auch das Ansetzen von Likören ein Hobby. In manchen Fällen ist es aber eine uralte Familientradition. Häufig ist das dann der Fall, wenn an ihren Höfen... Das sogenannte Maria-Theresien-Brennrecht vergeben wurde. Kaiserin Maria Theresia hat Österreich im 18. Jahrhundert regiert. Ja, und weil sie sich in Tirol besonders wohl gefühlt hat und hier auch viel Zeit verbracht hat, hat sie an Tiroler Familien besonders oft das Recht vergeben, aus Früchten Schnaps zu machen.
Lisa Prantl: Mehr als die Hälfte der insgesamt 4000 Brennereien in Tirol halten dieses Maria-Theresien-Brennrecht. Das ist übrigens nicht an die Familie, sondern direkt an den Hof gebunden. Einige von ihnen konnten mit der Qualität ihrer Edelbrände schon wichtige Preise gewinnen. Zu den Besten der Welt zählt etwa die Schnapsbrennerei Rochelt aus Fritzens. An der typischen grünen Zangenflasche ist der kostbare Rochelt-Schnaps gleich erkennbar. Uralt wie die Brennereien ist in Tirol auch das Brauchtum zu besonderen Anlässen kostbare Schnäpse zu erreichen. So ist es Tradition, mit einem Schnaps anzustoßen. Zum Beispiel, nachdem ein Kaufvertrag unterschrieben wurde oder auch mit dem frischgebackenen Papa nach einer Geburt.
Klaus Brunner: Oder auch beim Berggehen am Gipfel, dort ist es sehr üblich dass man dann einen Flachmann die Runde reicht. Einer der in Tirol richtig viel über die Brennerei und ihre Geschichte weiß, das ist Ulrich Zeni. Er bildet seit 25 Jahren Schnapsbrenner und Schnapsbrennerinnen und die Tiroler Edelsommeliers aus.
Ulrich selbst ist Obstbauer und baut im Garten des Stamserklosters Birnen und Äpfel an. Natürlich zum Schnapsbrennen. Ich habe ihn gefragt, woher das Schnapsbrennen überhaupt kommt.
Ulrich Zeni: Das Schnapsbrennen überhaupt ist ein sehr altes Handwerk. Das geht zurück auf 3500 vor Christus in etwa. Aus dieser Zeit war es mir allerdings sehr wenig. Man weiß nur aus archäologischen Ausgaben, dass man da Gefäße gefunden hat, wo eben Alkohol erzeugt wurde. Und dieses Handwerk hat dann den Weg über den südlichen Teil Europas bis nach Tirol geschafft und ist dann in der Tiroler Kultur fest verankert worden.
Lisa Prantl: Heute wird in vielen, vor allem bäuerlichen Familien, Schnaps gebrannt. Woher kommt es, dass das so oft in Tirol gemacht wird?
Ulrich Zeni: Die Grundlage vom Schnapsbrennen ist eigentlich daher entstanden diese verbreitete Brenntätigkeit, weil in der Pestzeit im 14. Jahrhundert der Alkohol eine Banazee, also ein Allheilmittel gegen die Pest war oder man glaubte, dass es das war und über das hat sich das in die Alpen hineingearbeitet und die der bäuerliche Betrieb hat früher den Schnaps auch als Zahlungsmittel verwendet, zum Teil als Zahlungsmittel für die Knechte und Mägde, die am Hof gearbeitet haben, aber auch Waldarbeiter haben in ihren Arbeitsverträgen eine bestimmte Ration Schnaps im Monat zugesprochen bekommen und damit war das für einen landwirtschaftlichen Betrieb neben den Zahlungsmitteln Geld und Naturalien, eben auch der Schnaps eine Naturalie die für die Bezahlung verwendet wurde. Und daher hat sich das im bäuerlichen Bereich so stark etabliert.
Lisa Prantl: Heute klingt das nicht wahnsinnig gesund, wenn man mit Schnaps bezahlt werden würde. Aber damals hat das einfach ganz eine andere Relevanz gehabt. Wofür haben Sie den Schnaps verwendet?
Ulrich Zeni: Früher haben die Menschen natürlich viel mehr und viel härtere körperliche Arbeit geleistet und auch in abgelegenen Gebieten körperliche Arbeit geleistet wo man natürlich nicht immer schnell einen Arzt oder irgendwelche Desinfektionsmittel bereit gehabt hat. Und deswegen hat der Schnaps zu der Zeit einen gewissen medizinischen Hintergrund gehabt. Einmal für die Wundheilung, einmal für das Aufbereiten von Trinkwasser in den hochalpinen Regionen bei den Waldarbeitern. Und deswegen muss man das natürlich in Konnex mit der Zeit sehen. Und diese schwer arbeitende Bevölkerung früher hat natürlich den Schnaps nicht getrunken im Sinne von literweise, sondern die haben das wirklich als medizinisches Mittel verwendet und was wir heute als Genussmittel verwenden.
Lisa Prantl: Sehr spannend. Und durfte dann damals jeder und jede Schnaps brennen?
Ulrich Zeni: Ja, das Schnapsbrennen hat sich über die Zeit schon sehr gewandelt und sehr entwickelt. Alkohol war mit Steuern behaftet, weil Kaiser und Könige natürlich auch Einnahmen gebraucht haben. Und alles, was gut läuft, wird besteuert und deswegen hat es auch für den Alkohol Steuern gegeben und deswegen wurde das auch mit Rechten genehmigt. Und die Kaiserin Maria Theresia hat in ihrer Zeit sehr viele solche mariatheresianische Brennrechte an die Tiroler Bevölkerung verliehen. Das waren dann meistens fleißige rechtschaffende Bäuerinnen und Bauern. Die dieses Recht erhalten haben, Alkohol zu erzeugen unter Aufsicht und dann auch Steuern abzuliefern. Mittlerweile ist es so, dass jeder, der Obst hat, ein Brennrecht haben kann, bekommen kann vom Zoll. Aber diese mariatheresianische Brennrechte, die sind nur mehr weitergehbar, indem man den Hof, die Liegenschaft weitergibt. Also die sind wirklich auf diesem Bauernhof beschränkt und der jeweilige Eigentümer dieses Bauernhofes darf dann dieses mariatheresianische Brennrecht auch ausüben.
Lisa Prantl: Teilweise hat die Maria Theresia ja auch Monopolrechte vergeben. Also ich habe nur den Krautding aus der Wildschönau im Kopf. Woher kommt denn das dass gewisse Arten von Schnaps nur in gewissen Regionen Tirols produziert werden dürfen?
Ulrich Zeni: Das Schnapsbrennen war eigentlich ein Recht, wo man Obst zu Alkohol veredeln hat dürfen. Und es gibt natürlich Regionen in Tirol im inneralpinen Bereich, wo Obst dann nicht mehr wächst. Ab 1.000 1.200 Meter tun sich die Obstbäume natürlich sehr schwer. Und da hat man dann geschaut wie kann man diesen Familien die Möglichkeit geben, auch dieses notwendige Zahlungsmittel, medizinale Mittel zu erzeugen. Und hat das dann ein bisschen ausgeweitet und eben in Krautinger diese Zahlungsmittel Stoppelrübe, Halbenrübe auch genannt, ist man darauf gekommen, dass man auch diese zu Alkohol verarbeiten kann und hat den Bauern in diesem Hochtal dann das Recht eingeräumt neben Obst auch diese Rüben zu verarbeiten. Und in anderen Bereichen Tirols wie zum Beispiel im Paznauntal oder im Kaunertal, wo Obst auch nicht mehr gedeiht, Galtür zum Beispiel, hat man den Bauern dann die Möglichkeit eingeräumt Enzianwurzeln zu graben und aus den Enzianwurzeln den Alkohol zu erzeugen weil die Enzianwurzel nämlich einen hohen Gehalt eines Dreifachzuckers hat und der auch vergärbar ist.
Lisa Prantl: Das Schnapsbrennen selber, hast du mir im Vorgespräch erzählt, war ja auch historisch immer was Weibliches. Das Schnapsbrennen selber war eigentlich ein Frauenhandwerk. Was ja auch logisch ist, weil zum Schnapsbrennen braucht man eine Feuerstelle. Und die Frau war früher die Person, die die Feuerstelle betreut hat. Die hat darauf gekocht die Wäsche gewaschen im heißen Wasser und damit auch Die Möglichkeit gehabt, dort einen Brennkessel aufzustellen und Schnaps zu brennen. Und im 15. und 16. Jahrhundert war das zu 100% Frauenhandwerk. Es gibt da sogar ein Buch aus dem 17. Jahrhundert, wo drinnen geschrieben ist, dass die perfekte Frau, damals beschrieben als Hausmütter, sich auf das Herstellen vielerlei gebrannter Wasser verstehen muss und diese auch in Vorrat schaffen können muss.
Also nur dann ist sie heiratsfähig wenn sie Schnaps brennen kann und auch Lagerhaltung beherrscht.
Lisa Prantl: Sehr spannend. Abschließend welchen Schnaps aus Tirol Muss man unbedingt gekostet haben. Hast du da noch eine Empfehlung für uns?
Ulrich Zeni: Da tun wir jetzt fast ein bisschen schwer. Eigentlich alle. Deswegen muss man immer wieder nach Tirol kommen und die einzelnen Regionen besuchen, wo diese Schnäpse dann entsprechend typisch sind. Ich als Tiroler natürlich muss einmal ganz als allererstes sagen, den Vogelbeerschnaps, das ist quasi die Krönung von allem. In Osttirol ist es der Pregler, der in der EU als geschützte geografische Spezialität eingetragen ist.
Lisa Prantl: Woraus wird der hergestellt?
Ulrich Zeni: Und zwar ist der gewachsen aus der Geschichte zu mindestens einem Drittel Birnen und zwei Dritteln Äpfeln in der Verarbeitung und zeichnet sich aus durch das Fruchtige der Birne und das Runde und Milde des Apfels. Ja, wenn man dann im Winter in die Skigebiete geht oder im Sommer in die hochalpinen Regionen der Seitentäler Kaunertal, Paznauntal, da kommt man nicht vorbei, dass man nicht dort den hochgeschätzten Enzian probiert. In der Wildschönau ein ganz besonderes Tal, da muss man den Krautinger probieren, auch wenn sein Ruf ihm vorauseilt und viele sagen, der ist untrinkbar Das ist eigentlich ganz was Besonderes der im Geruch und Geschmack so ein bisschen an Radieschen und Karamell erinnert. Ganz eine schräge Kombination, aber für mich ganz was Besonderes. Und dann gibt es natürlich die ganzen Zwetschgenbrände in der Stanzerregion, Landeck. Also ich als Tiroler man merkt schon, ich komme da ins Schwärmen und man kann sich nicht für einen entscheiden, man muss alle probiert haben.
Klaus Brunner: Ja, dann haben wir jetzt einiges vor. Ich selbst komme ja aus der Nähe der Wildschönau und kann Ulrich Zehni nur beipflichten, den Krautinger muss man unbedingt mal probiert haben. Ich zitiere jetzt Google. Sein Geschmack erinnert an eine Mischung aus Sauerkraut, nassem Hund und Hansi Hinterseers alten Skisocken. Das ist nicht von mir.
Lisa Prantl: Ja, und netterweise hast du uns den ja jetzt mitgebracht, den Wildschönauer Krautinger. Und ich rieche nur an diesem Stamperl. Mir kommt vor, die ganze Aufnahmekabine riecht schon nach dem.
Klaus Brunner: Sie duftet.
Lisa Prantl: Traust du dich zu kosten?
Klaus Brunner: Ja, es ist wirklich sehr speziell. Liebe Hörerinnen und Hörer, Gesundheit. Lisa Prantl: Gesundheit. Ja, beeindruckend dass wenig Miene verzogen jetzt.
Klaus Brunner: Ja, ich muss zugeben, es ist nicht der erste Krautinger, den ich trinke und er wird jedes Mal besser.
Lisa Prantl: Sehr gut.Ich würde sagen, das muss jeder für sich selbst herausfinden, ob der Krautinger wirklich bei jedem Mal probieren besser wird. In Tirol ist Schnaps aber nicht nur ein Genussmittel. Die Früchte, die im ganzen Land dafür angebaut werden, sind auch für die Natur wichtig. Denn Streuobstwiesen sind ein Paradies für Nützlinge wie Bienen und Hummeln. Wo früher die Obstresteln aus der Wiese zum Brennen verwendet wurden, landen heute zumeist die süßesten und reifsten Früchte im Kessel. Klaus Brunner: Mhm. Und das Dorf mit den wahrscheinlich süßesten Früchten ist Stanz in Tirol auch bekannt als das Brennereidorf.
Lisa Prantl: Bei nur 600 Einwohnerinnen und Einwohnern finden sich fast 60 Schnapsbrennereien. Fast an jedem Haus hängt ein Brennereischild. Grund für diese besondere Häufung ist die Stanzer Zwetschge.
Klaus Brunner: Ja, sie wird seit mehr als 500 Jahren in der Gemeinde im Tiroler Oberland angebaut und fast genauso lange zu Schnaps verarbeitet. Auf über 1000 Metern ist Stanz das höchstgelegene Obstanbaugebiet Europas. Und erstmals erwähnt wird die Stanzer Zwetschge bereits im 16. Jahrhundert mit den Worten »Besonders zuckerreiche Zwetschgen wachsen bei dem listigen Bergvolk des oberen Inntals«. Ja wir haben Obstbaumeister Simon Nothurfter in Stanz besucht und zur Zwetschge befragt. Von seinem Hofladele im Zentrum sind wir ein paar hundert Meter zu einer seiner Obstwiesen spaziert. Dort ist mir gleich aufgefallen wie viele Bienen sich am Boden unter den Zwetschgenbäumen tummeln. Die sind für einen Obstbauern natürlich sehr wichtig. Ich habe Simon also gefragt, wie es gelingt, den Bienen hier einen guten Lebensraum zu bieten.
Simon Nothurfter: Ja, das kommt daher, dass wir naturnah produzieren. Das heißt, wir lassen auch das Untergras einmal hoch werden, wir lassen es blühen. Und so kommen auch die Bienen und die Hummeln, vor allem Marienkäfer und die ganzen Nützlinge zurück zur Anlage und helfen uns beim Produzieren von gesundem Obst.
Lisa Prantl: Bekannt ist die Stanzer Zwetschge ja dafür, dass sie besonders süß ist. Kannst du uns das erklären, wie es zu diesem besonderen Geschmack kommt?
Simon Nothurfter: Ja, einerseits durch die lange Vegetationsdauer, weil wir die Zwetschgen erst Mitte August bis Ende September ernten, jetzt zu der Zeit. Natürlich, wenn wir da nach Süden blicken haben wir da nach Italien offen, da kommen die Südwinde zu uns her, strömen auf die Kalkalpen her und speichern sich dann natürlich die Wärme die dann über Nacht abgegeben wird und darum haben wir so ein mildes Klima wo eigentlich sämtliche Früchte wachsen, bis zu Marillen.
Wir sagen immer von A bis Z, von Apfel bis Zwetschge wächst bei uns alles. Wir haben Marillen wir haben Kirschen, wir haben eben die Zwetschgen, wir haben verschiedene Äpfel, Birnen natürlich auch. Dann haben wir ein bisschen mit dem Gemüse befasst. Bei uns wachsen Tomaten, Zucchini, Paprika und sogar Honigmelonen. Zuckersüß.
Klaus Brunner: Ja, Honigmelonen aus Stanz das würde man erstmal nicht vermuten. Für die Zwetschgen sind die klimatischen Verhältnisse ebenso optimal. Die großen Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht lassen sie ein besonders intensives Aroma entfalten. Aber wie sieht die Arbeit mit den Obstbäumen eigentlich über das Jahr aus?
Simon Nothurfter: Ja, anfangen tut es eigentlich Mitte Jänner, Anfang Februar. Dann fangen wir an Bäume zu schneiden. Das ist eigentlich der erste Schnitt den man machen muss, um ein gutes Obst zu produzieren. Und dann viel Wasser, viel Wärme. Aber Wärme und Wasser, da kann man nicht viel ändern, da ist man sehr naturabhängig. Und dann geht es eigentlich schon weiter mit der ganzen Fruchtkontrolle, schauen, ob genügend Nützlinge hier sind. Die Befruchtung findet hauptsächlich mit Bienen statt bei uns, da haben wir einen eigenen Imker im Dorf. Und mittlerweile in den letzten fünf Jahren sind auch viele Hummeln dazugekommen. Die sind ein bisschen aktiver, auch wenn das Wetter nicht so warm ist. Und dann lassen wir das der Natur über. Und dann schauen wir, was uns die Natur gibt bis zum Schluss.
Lisa Prantl: Von den Zwetschgenbäumen hat Simon inzwischen rund 2800 Stück. Neben den anderen Obstbäuerinnen sind auch die Bewohnerinnen und Bewohner ohne Landwirtschaft der Stanzer Zwetschge treu. Eigentlich steht in jedem Garten zumindest ein Baum.
Klaus Brunner: Bereits in den 1850er Jahren gab es in Stanz 4,7 Hektar Obstwiesen. Das sind beinahe 40 olympische Schwimmbecken.
Lisa Prantl: Von Mitte August bis Mitte September werden diese Zwetschgen heute geerntet wie damals. Sie werden fleißig gekostet damit man sieht, ob sie süß genug sind. Sie werden dann als Obst verkauft, zu Marmeladen, Chutneys oder eben Schnaps verarbeitet. Am Bauernhof von Simon Nothorfters Eltern befindet sich in einem 400 Jahre alten Gewölbe die Brennerei. Ich wollte wissen, wie sich die Zwetschgen in diesem Kupferkessel in Schnaps verwandeln.
Simon Nothurfter: Ja es schaut ganz kompliziert aus, wenn man das so betrachtet. Das sind natürlich Kupferkessel, da das Kupfer die beste Leitfähigkeit hat von den Metallen her. Man braucht relativ schnell eine Hitze, darum wird er mit Holz befeuert. Und vorstellen wir uns das so, dass die Maische, die gärt ungefähr drei bis vier Wochen in einem Tank rein, da wird dann der Zucker von der Frucht in Alkohol umgewandelt und den beginnt sie jetzt zum Trennen. Das heißt, die Maische wird eingefüllt, haben ungefähr 150 Liter Platz, der Dampf steigt auf, geht über ein Geistrohr entlang hinauf, senkt sich wieder runter durch den Kühler, da sind noch Kupferkühler, da sind alle Stäbe drin, da sind noch Röhrenkühler, da ist kaltes Wasser, wird dann der Dampf wieder verflüssigt. Und unten rinnt dann der Alkohol raus. Das ist das ganze Prinzip der Destillerie.
Lisa Prantl: Und von den 150 Litern Maische wie viel Alkohol kommt dann raus?
Simon Nothurfter: Ja man muss schauen, jede Obstart hat natürlich einen anderen Zuckergehalt. Und dadurch kommt auch mehr oder weniger Alkohol raus. Beim Apfel zum Beispiel kommen aus 100 Kilo Maische ungefähr drei Liter Schnaps raus. Bei der Zwetschge ist es süßer natürlich, kommen ungefähr 5,5 Liter raus.
Klaus Brunner: Also wenn ich das richtig ausgerechnet habe, dann steckt in so einem kleinen Schnapsglas also eine ganze Zwetschge.
Lisa Prantl: Das glaube ich dir jetzt mal. Bevor wir langsam für diese Episode zum Ende kommen, haben wir wie immer Kurioses und Merkwürdiges zum Thema zusammengetragen.
Klaus Brunner: Ja starten wir mit dem Enzian-Schnaps. Auf den Etiketten der Schnapsflaschen steht Ist ja häufig eine blaue Blume, der blaue Enzian, abgebildet. Den kennt man vielleicht vom Wandern, das ist eine kleine blaue Blume und nur ein paar Zentimeter groß. Im Schnaps landet aber wiederum der gelbe Enzian, das ist eine große Staude und jetzt nicht so ansehnlich. Und wiederum sind es auch hier nicht die Blüten, sondern eigentlich die Wurzel des Enzianstrauchs, mit denen man den Schnaps macht.
Lisa Prantl: Und der gelbe Enzian ist außerdem als Heilpflanze bekannt, deswegen steht er auch unter Naturschutz, es kann also nicht jeder den Enzian ausgraben gehen. In Galtür zum Beispiel gibt es deshalb jedes Jahr ein Volksfest. Unter allen Bewerberinnen und Bewerbern wird das Recht verlost, den Enzian ausgraben zu dürfen.
Klaus Brunner: Ja, und vielleicht wart ihr in Tirol schon einmal in Kontakt mit den sogenannten Marketenderinnen. Das sind diese Damen, die meistens eine Schützenkompanie oder eine Musikkapelle begleiten und dort in kleinen Holzfässchen Schnaps mitnehmen und diesen dann verkaufen oder verschenken. Historisch gesehen hatten die Marketender aber eigentlich ganz eine andere Rolle. Der Begriff kommt aus dem Militärwesen, aus dem Mittelalter. Und damals haben die Marketender und ihre Familien, also auch ihre Kinder, die Soldaten in den Kriegsgebieten versorgt, zum Beispiel mit Tabak, mit Lebensmitteln und auch mit Schnaps.
Julia Prantl: Ja, heute werden in Tirol jedenfalls... Unglaubliche 5 Millionen Kilogramm Obst zu Schnaps verarbeitet. Wer einem oder einer der vielen Brenner in Tirol über die Schulter schauen möchte, kann das auf der Tiroler Schnapsroute bei über 40 Partnerbetrieben im ganzen Land tun. Ich würde sagen, jetzt haben wir viel gelernt, genug für diesen Hörausflug. Wer noch mehr über die Stanzer Zwetschge und das Schnapsbrennen wissen möchte, wir haben wie immer interessante Infos für euch in den Shownotes zusammengetragen.
Klaus Brunner: Prost und wir freuen uns, wenn ihr auch beim nächsten Mal wieder mit dabei seid.
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